Beweglich im Kulturspagat

Die Langenthaler TV-Moderatorin Tama Vakeesan vereint Fortschritt mit Tradition, ihr Umfeld mit ihrem Elternhaus.

Einfach mal den Aeschbacher umarmen. Und dazu auch noch lächeln. Vieles, was Tama Vakeesan so anpackt, tut sie mit einer erfrischenden Echtheit, mit der sogar die steife Verabschiedung einer TV-Institution im Leutschenbach authentisch gerät.

Tama Vakeesan, diesen Namen dürfen sich auch Konsumenten des schnellen, gewitzten Fernsehens merken, während ihn Anhänger des modernen Mobile-Reportings wohl bereits kennen. Offensiv ist sie, die 31-Jährige aus Langenthal, wie sonst kaum eine Frau im Fernsehen. Und so geht sie auch ihre Themen an.


Offensiv wie sonst kaum eine: Tama Vakeesan interviewt Kurt Aeschbacher in dessen letzten Sendung. (Quelle: SRF)

Die Schweizerin, deren Eltern 1985 aus Sri Lanka einwanderten, hat sich vor der Kamera mit genau dem Stoff auseinandergesetzt, den eine zuweilen sehr eindimensionale Medienlandschaft bei jungen Schweizern mit Migrationshintergrund stets auf die eine plumpe Frage hinunterbricht: Wie lebt es sich so, mit zwei Herzen in der Brust? «Ich bin doch nicht schizo», sagt Vakeesan nur, und lacht.

Wo ist meine Schweiz?

Ein Gespräch mit ihr mündet schnell in eine angeregte Diskussion über Migration und Heimat, über die Wahrnehmung von ihr als junge Frau mit spitzer Zunge im Land ihrer Eltern, als junge Frau mit dunkler Haut im Schweizer Fernsehen.

Ihre Herkunft hat sie selber gründlich ausgeleuchtet, hat den Fokus dabei auf ihr Umfeld gerichtet, um in unbeschwerter, erfrischender Art eine Schweiz zu zeigen, die in unserem Fernsehen noch immer zu wenig stattfindet. «Tama Gotcha» hiess ihr Video-Blog, in dem sie einmal die Woche für SRF auf Sendung ging. 52 Folgen sind so entstanden, 1 Jahr lang Seelenstriptease.

Wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Format?
Ich sah in den Medien keine Menschen aus meiner Jugend. Keine Schwarzen, keine Albaner, keine jungen Mädchen mit Kopftuch. Die Schweiz, wie ich sie kannte, fand dort nicht statt. Plötzlich hatte ich eine Kamera und ein Format und ich dachte mir: Na klar, ich gehe da hin!

Führt die ständige Frage nach dem Migrationshintergrund eigentlich Integration nicht ad absurdum? Inwiefern muss die Gesellschaft überhaupt jemanden integrieren, der seit Tag 1 hier lebt und sozialisiert ist?
Es ist für mich nie problematisch, über meinen Migrationshintergrund zu sprechen. Problematisch wird es erst, wenn ich darauf reduziert werde. Ich bin Reporterin, ich bin vielfältig interessiert, und man kann mit mir auch über anderes reden. Aber wenn man mir die Kulturfrage stellt, werde ich nie beleidigt sein.

«Es ist für mich nie problematisch, über meinen Migrationshintergrund zu sprechen.»
Tama Vakeesan, Moderatorin und Reporterin beim Nachrichtenportal Nau.ch.

Denken Sie denn, dass Sie jemals jemand ohne diesen Hintergrund wahrnimmt?
Leute, die ständig sagen: «I don’t see color», die nehme ich nicht ernst. Ich bin eine Braune in einer weissen Landschaft, ich falle auf. Das ist mir bewusst, das war immer so, der Rektor hat immer erkannt, ob die Tama beim Appell wirklich da war, weil sie so auffiel (lacht). Das ist meine Realität, und es stresst mich null. Kein Problem.

In der Medienstadt Zürich ist Tama Vakeesan schon angekommen, bevor sie überhaupt in der Medienbranche tätig war. Nach einer Banklehre im heimischen Langenthal arbeitete sie in der Grossstadt, besuchte dann die Pädagogische Hochschule – und kam urplötzlich beim Jugendsender Joiz unter. Moderieren, interviewen, eine neue Leidenschaft.

Nach den Lehrjahren bei Joiz ergatterte sie sich ein Plätzchen in der Jugendsparte beim SRF, obwohl sie doch auch schon 28 Jahre alt war. Aber die volle Bildschirmzeit, die bekam sie nie. «Ich wollte lieber immer spielen als nur auf der Bank sitzen», sagt sie heute, bald zwei Jahre nachdem sie wieder nach Bern, zum Nachrichtenportal Nau.ch, zurückgekehrt ist.

«Tamaste» heisst die Webserie, die Vakeesan für nau.ch macht. Die Übersicht über die bisher erschienenen Folgen findet sich an dieser Stelle.


«Na klar, ich gehe da hin!»: «Tama Gotcha» hiess das Webvideoformat, dass Vakeesan für das SRF produzierte.

Von Langenthal ist sowieso beides eine Zugfahrt weg. Denn aus dem Elternhaus ausgezogen ist Vakeesan trotz zahlreicher Engagements in Zürich und Bern nie. Es ist eine persönliche, für viele Gleichaltrige hoch intime Frage. Für Tama Vakeesan ist sie Ausdruck eines Spagats zwischen zwei Kulturen: Sie, die offene, liberale, freche junge Frau möchte erst von daheim wegziehen, wenn sie verheiratet ist.

Die tamilische Community ist sehr gross, sie kann Rückhalt geben. Auch Ihnen, der 31-jährigen ledigen TV-Moderatorin?
Was ich mache und gemacht habe, ist in der Community niemandem sauer aufgestossen, weil ich ja trotzdem nach den Linien mitlebe, die ich kritisiere. Abgekapselt habe ich mich nie, weder gegen die eine noch die andere Seite. Ich höre immer wieder diesen Spruch: Hey, kennst du sie, sie ist auch Tamilin? Das nervt zwar, aber oft stimmt es halt einfach (lacht). Wir sind eine riesige Familie.

Im Zusammenhang mit Einwanderung wird auch viel über Rückkehr diskutiert. Was halten Sie davon?
Ich kann nur von mir erzählen. Mit 13 war ich zum ersten Mal in Sri Lanka. Ich war mit meiner Familie an einem Tempelfest, alle gleich angezogen, alle mit Punkt auf der Stirn, äusserlich waren wir kaum zu unterscheiden. Aber meine Cousine konnte jeden einzelnen Tamilen aus dem Ausland identifizieren – wegen der Haltung! Die Frauen aus dem Ausland bewegten sich zu stolz, quatschten zu laut, sagte sie, es seien Welten. Wir sind dort in dem Sinne nicht zu Hause.

Das Etikett Migrantenreporterin, es hängt an ihr, genauso wie die Bezeichnung Jungmoderatorin, die sich trotz der 31 Jahre ziemlich hartnäckig hält. «Die asiatischen Gene halt», sagt sie lachend.

Bei Mutter in der Küche

Heute hat sie ihren Themenfächer längst geöffnet, berichtet mit Kamera und Mikrofon mal von hier, mal von da. Und ist dann doch wieder als Erste zur Stelle, wenn es um Themen geht, in die ihre Familie verwickelt ist – wie die Rentenproblematik der ersten Einwanderergeneration aus Sri Lanka, der Generation ihrer Eltern.


In der Küche mit ihrer Mutter, mit dem Mikrofon in der Hand: In «Tama Gotcha» thematisiert Vakeesan auch «Mein tamilisches Leben».

Da kommt es vor, dass sie wieder bei sich zu Hause steht, in der Küche mit ihrer Mutter, mit dem Mikrofon in der Hand. Nähe war nie ihr Problem. Einfach mal den Aeschbacher umarmen.

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