Welche Bedeutung haben Lokalradios für ihr Sendegebiet? Was für einen Nutzen bieten sie der Bevölkerung? Eine Reise durch den Berner Äther.

Text: Martin Erdmann

«Wenn spätnachts auf der A 1, zurückkehrend aus Weissdergeier, endlich wieder Rabe ins Autoradio schiesst - das ist Heimat.» Diese Liebeserklärung vom Berner Autor Matto Kämpf zeigt, wie fest Lokalradios das Gefühl vermitteln können, zu Hause zu sein. Zu Hause ist dort, wo man weiss, welche Strasse beim nächsten Regen wahrscheinlich verschüttet wird und welcher Politiker wieder einmal durch unflätigen Wortgebrauch den Ratsbetrieb verärgert hat, wo man weiss, über welche Schulhaussanierung bald abgestimmt wird und welche Metzgerei auf Monatsende schliessen muss, und wo man weiss, wegen welchem Innenverteidiger der ortsansässige Verein schon wieder verloren hat.

Es ist Wissen, das nicht zuletzt durch Lokalradios vermittelt wird. Sie machen das unter Berücksichtigung der regionalen Eigenheiten und widerspiegeln dadurch das, was das Gebiet, aus dem sie senden, ausmacht. Oder um es in staatsbeamtlicher Sprache auszudrücken: Sie leisten einen Beitrag an den medialen Zweig des Service public.

Zwischen Gottesdienst und Alternativmusik

Im Kanton Bern gibt es fünf Radiostationen, die für ihre Arbeit öffentliche Gelder beziehen. Wie sie den damit verbundenen Auftrag erfüllen, zeigt die kulturellen Unterschiede innerhalb des Kantons auf und wie viel mediale Vielfalt verloren gehen würde, falls die Sender den Betrieb einstellen müssten.

Die Professionalität ist nicht auf 96.6 Megahertz zu Hause. Auf dieser Frequenz sendet Radio Rabe mitten aus dem Berner Lorrainequartier. Nicht alle, die hier ans Mikrofon treten, haben eine Moderatorenausbildung hinter sich. Bei keinem anderen Berner Sender ist es einfacher, eine eigene Sendung zu bekommen. Momentan zählt das Portfolio des Radios rund 100 verschiedene Formate. Das macht Rabe zu einem Sprachrohr der Vielfalt.

Gerade der Musikauswahl kommt diese zugute. Rabe ist ein Sender für Kenner und Entdecker, für alle, die vom monoton rotierenden Karussell der Hitparadenstationen abgesprungen sind. Dazu kommt eine tägliche News-Sendung in der Tradition von «Echo der Zeit». Hintergrund wird gross geschrieben, die Themenauswahl reicht vom präsidial gebeutelten Amerika bis zur Freiraumfrage von Berns Jugend.

So klingt das Rabe Info:

Quelle: http://rabe.ch

Nein, ein Programm wie jenes von Rabe würde im Berner Oberland die Einschaltquote nicht in die Höhe schiessen lassen. Denn die Definition von Heimat ist in Interlaken-West nicht dieselbe wie in Berns Norden. Dementsprechend unterschiedlich ist das Programm von Radio BeO.

So klingt das «Beo Info»:

Quelle: http://radiobeo.ch


Der Hörerservice besteht aus viel mehr als bloss aus Neuigkeiten von der Verkehrssituation auf der Kantonsstrasse zwischen Spiez und Mülenen und der Lawinensituation auf dem Hasliberg. Hier haben Volks- und Blasmusik feste Sendeplätze, Gottesdienste aus verschiedenen Kirchen der Region werden übertragen, genauso wie die Fasnacht und Fussballspiele aus Thun.

Das Emmental ist Neo1-Gebiet. Seit zehn Jahren widmet sich der Sender dem Geschehen in der Region und geht dabei oft in die Tiefe. So wurden die Hörer mit einer mehrteiligen Serie durch 550 Jahre Langnauer Marktrecht geführt - oder sie können sich an die Kufen der Cracks von den SCL Tigers heften.

So klingt Neo1 (Livestream):

Quelle: http://neo1.ch

Den Unterschieden gerecht werden

Als zweisprachiger Kanton wird Bern zum medialen Spagat gezwungen. Dieser ist für den Bieler Sender Canal 3 kein Problem, er sendet auf Deutsch und Französisch. Den ausschliesslich französischsprachigen Part übernimmt BNJ FM, das im Jurabogen sendet.

Bern verfügt über ein Radionetz, das den sprachlichen und kulturellen Unterschieden des Kantons gerecht wird. Wenn auf den Frequenzen der Lokalsender künftig nur noch Rauschen zu hören wäre, wenn man sich auf der Autobahn dem Zuhause nähert, wäre das nicht nur tragisch für die Medienvielfalt. Es würde auch ein Stück Heimat verloren gehen.