Mit Whisky-Degustation
gegen das Aus

Loeb – ein Warenhaus im Wandel

Berns Traditionswarenhaus Loeb wird zur Erlebniswelt umgebaut. Damit reagiert die Unternehmerfamilie – wie andere Warenhäuser auch –
auf die sinkenden Einnahmen und den digitalen Wandel. Ob die Strategie aufgeht? Ein Experte weist auf Schwächen hin.


von Nadine A. Brügger

«Vom Parterre bis in den dritten Stock» habe der «Ritt» auf Berns erster dreistöckiger Rolltreppe geführt, schrieb der «Bund» 1956. Bern staunte entzückt. Heute führt die Rolltreppe fünf Stockwerke hoch – zum Staunen bringt das längst keinen mehr.

Dazu muss Nicole Loeb andere Geschütze auffahren. Seit 2005 steht die Tochter von François Loeb am Steuer des Traditionswarenhauses – in fünfter Generation. Ob ihre beiden Töchter das Unternehmen weiterführen werden, entscheiden nicht nur sie selber: Im vergangenen Jahr rutschte die Loeb-Gruppe in die roten Zahlen; der Umsatz sank um mehr als 6 Millionen auf 93,6 Millionen Franken.

«Der Detailhandel ist ein anspruchsvoller Markt, und es wird Bereinigungen geben», sagt Loeb. Doch statt im rauen Klima zu erstarren, investiert die Loeb AG in den nächsten zwei Jahren satte 20 Millionen Franken in eine Generalüberholung von Ladenfläche und -konzept in den Filialen Bern, Thun und Biel. Aus dem Warenhaus wird eine Erlebniswelt.

«Die Spielsachen kommen wieder in den fünften Stock, wie früher», erklärt Loeb. Hier im fünften Stock sind schon grosse Bereiche für den Umbau abgesperrt. «Es wird einen Kinderhort geben, mit 50-Prozent-Vergünstigung für Loeb-Kunden», fügt Geschäftsführer Ronald Christen an.

Das Prunkstück der Veränderung wird die Showküche bei den Haushaltsartikeln im ersten Stock. «Dann kann man Pfannen und Töpfe gleich ausprobieren. Und wir werden Kinderbacken und Kurse für veganes Kochen oder Fleischanbraten veranstalten», sagt Christen. Fühlen, riechen, schmecken – also sinnliche Bedürfnisse, die das Internet, der ärgste Konkurrent, nicht befriedigen kann. Im Geschäft selber werden weniger Waren aufliegen, dafür will Loeb den eigenen Onlineshop für Haushaltsartikel besser nutzen. Individuelle Beratung und mobile Bezahlstationen ergänzen die klassischen Kassen.

Umbau Bis September 2019
Das Berner Warenhaus Loeb baut seine Ladenfläche bis Herbst 2019 um. Aus dem Warenhaus soll eine Erlebniswelt werden. Im fünften Stock haben die Bauarbeiten bereits begonnen. Das Warenhaus bleibt während des gesamten Umbaus geöffnet. Geplant ist, den fünften Stock, wo sich Spielsachen, Kinderhort, Kinderkonfektion und Badezimmerutensilien befinden, im kommenden Mai wieder zu eröffnen. Im August folgt dann der vierte Stock (Basteln, Mercerie, Stoff und Näh-Café), bis im November wird auch das Parterre (Schmuck, Parfumerie, Chocolatier mit offener Theke) erneuert sein. Das gesamte Warenhaus mit den Stockwerken 1 bis 3 wird im September 2019 umgestaltet sein. (nab)

Bild: Franziska Rothenbühler

Bild: Franziska Rothenbühler

Bild: Franziska Rothenbühler

Bild: Franziska Rothenbühler

Bild: Franziska Rothenbühler

Bild: Franziska Rothenbühler

Noch ist nicht jeder Quadratmeter des «neuen» Loeb verplant. Es soll nämlich auf jedem Stock Flächen geben, die von Drittanbietern temporär genutzt werden; sogenannte Pop-up-Shops. Da kann dann der Bauer vom Gurten neben der Showküche über mehrere Tage oder Wochen sein Gemüse verkaufen, bei der Damenmode eine lokale Designerin ihre Mode made in Bern präsentieren oder eine Gin-Brennerei ihr neustes Wässerchen feilbieten.

Loeb setzt stark auf das Verweilen: Bei den Damen im dritten Stock wird es ein Fashion-Café geben, bei den Herren einen Gastrobereich, «den wir voll auf ‹Mann› trimmen, mit Bier- oder Whisky-Degustationen», sagt Christen und strahlt. Die Mercerie wird um ein Näh-Café ergänzt, in dem auch Kurse stattfinden. Aber lohnt sich die Mühe?

Fokussierung, Einzigartigkeit, Mehrwert durch Ausprobieren, Abwechslung, lokales Sortiment: Damit mache Loeb alles richtig, lobt Thomas Rudolph, Professor für Marketing und Internationales Handelsmanagement an der Universität St. Gallen (HSG). «Jetzt kommt es nur darauf an, wie sie diese Pläne umsetzen.» Eine häufige Falle: Warenhäuser wollen breit sein, allen etwas bieten. «Viel verschiedene Ware unter einem Dach funktioniert aber nicht mehr; dann wird man durchschnittlich und langweilig.» Zudem könne man mit dem Internet, das nicht Tausende, sondern Millionen von Artikeln rund um die Uhr feilbiete, so oder so nicht mithalten. «Es ist wichtig, einen Fokus zu legen, sein Geschäft klar zu positionieren und sich genau zu überlegen, wie das Zielpublikum aussieht», sagt Rudolph.

Eine behebbare Schwäche im Konzept von Loeb sieht Rudolph darin, dass Kleider erst mal nicht im Webshop angeboten werden sollen. «Die Leute wollen den vollen Service. Sie wollen im Laden beraten werden und anprobieren können, davor die Kleider aber bereits online anschauen. Das Anschauen wäre wichtig, selbst wenn technische Ressourcen und Lagerplatz für einen Webshop nicht ausreichen.»

«Die Leute wollen den vollen Service.»
Thomas Rudolph, Professor für Marketing und Internationales Handelsmanagement an der Universität St. Gallen (HSG)

Bild: Manu Friederich (Archiv)

Bild: Manu Friederich (Archiv)

Nicole Loeb (Archiv). Bild: Valérie Chételat

Nicole Loeb (Archiv). Bild: Valérie Chételat

Rudolph unterscheidet zwischen zwei Arten von Einkäufern: dem Versorgungskauf, bei dem eine Einkaufsliste abgearbeitet wird, und dem Erlebniskauf, bei dem Käufer sich von der Auslage und dem Angebot inspirieren lassen. Den Versorgungskäufer werden die stationären Ladenbesitzer irgendwann ganz verlieren. Er findet im Internet mit immer besseren Suchfunktionen und Lieferservice schnell und günstig, was er braucht. Es bleibt eine etwa gleich grosse Anzahl an Erlebniskäufern. Diese gelte es anzulocken. «Wenn man die Menschen überrascht und ihnen eine Plattform für Treffen und menschliche Interaktion bietet, dann können Warenhäuser und auch kleine Fachgeschäfte noch immer funktionieren.»

Blickt Experte Rudolph zehn Jahre in die Zukunft, sieht er dort noch immer Städte voller Geschäfte. «Der Onlinehandel wird zwar weiter zulegen, vor allem auf Kosten des Fachhandels, auch zulasten von grossen Filialketten», erklärt er. Ganz verschwinden würden aber weder die kleinen Geschäfte in Berns Altstadt noch grosse und mittlere Warenhäuser. «Sie alle stehen nur auf verlorenem Posten, wenn sie weitermachen wie bisher.»

Nicht ewig optimieren

Ob gerade Loeb zu lange weitergemacht hat wie bisher? Sich ausruhte im Wissen um Tradition und exklusiven Standort? Nicole Loeb schüttelt den Kopf. «Alle acht bis neun Jahre macht ein Umbau Sinn. Bei uns ist die letzte grosse Veränderung zehn Jahre her.»

Sollte das neue Konzept nicht greifen, wird Loeb auch nicht ewig weiter optimieren. «Klar habe ich eine emotionale Bindung zu unserem Familienunternehmen. Mein Feuer für den Loeb ist gross. Jedes Unternehmen muss Gewinn machen, um wieder investieren zu können. Ich habe aber primär eine Verantwortung gegenüber meinen Angestellten und den Aktionären. Darum werde ich immer realistisch sein und entsprechend handeln.»

«Mein Feuer für den Loeb ist gross.» – Nicole Loeb
© Tamedia