«Dr Dänu, dä cha meh»

Daniel Rohrer (26) macht die Lehre zum Metallbauer. Er bessert mit der Sozialhilfe derzeit seinen Lohn auf.

Daniel Rohrer ist auf gutem Weg. Seine Lehre als Metallbauer dauert noch etwas mehr als ein Jahr. Danach, so ist er überzeugt, wird er endlich nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen sein. «Metallbauer sind gefragt, da findet man innerhalb einer Woche eine Stelle.» Derzeit bessert der Sozialdienst noch seinen Lehrlingslohn auf, sodass es zum Leben reicht – «gerade so», wie er betont.

Rohrer ist 26 Jahre alt. Seit er seine erste Lehre als Logistiker abgebrochen hat, ist er von der Sozialhilfe abhängig. Das ist mittlerweile acht Jahre her. Doch bereits früher hatte Rohrer es nicht leicht: Mit vier kam er in ein Behindertenheim. Und wie Rohrer noch heute findet, ein für ihn ungeeigneter Ort. «Mir wurde ADHS und eine Lernschwäche attestiert, trotzdem war ich völlig unterfordert.» Und wie viele Unterforderte begann Rohrer «Scheiss zu machen», wie er es ausdrückt.

Bis das auch die Verantwortlichen realisierten, dauerte es lange. Erst zehn Jahre später – Rohrer war 14 – hätten seine Lehrer gesagt: «Dr Dänu, dä cha meh.» Es folgte der Wechsel in eine andere Institution, wo er besser gefördert wurde und sich auch an die Regeln hielt. Es schien aufwärtszugehen – bis er sich eben ein paar Jahre später mit dem Chef der Logistiker-Bude verkrachte und die Lehre schmiss. «Ich war einfach dumm», so seine Erklärung.

«Ich weiss, was es heisst, den Fünfer zweimal zu drehen. Ich drehe ihn etwa vier- bis fünfmal.»

Faulheit ist relativ

Danach folgte eine Odyssee, wie sie für Klientinnen und Klienten der Sozialdienste keine Seltenheit ist: ein Motivationstraining hier, ein Beschäftigungsprogramm dort, eine zweite abgebrochene Lehre, ein weiteres Programm. Zwischen den verschiedenen Stationen gab es jeweils längere Pausen, manchmal liess er sich dann völlig gehen. «Teils sass ich nur zu Hause herum und war am Gamen.» Aus dieser Zeit weiss er auch: Der Begriff der Faulheit wird solchen Zuständen nicht gerecht. In schlechten Zeiten bereitet das Abwaschen eines Glases mehr Mühe, als in guten Zeiten einen Monat lang hart zu arbeiten.

Nun hat er den Rank gefunden. In der Lehre läuft es gut. Das habe damit zu tun, dass er die Arbeit möge, allem voran das Schweissen. In der Lehre hat er aber auch realisiert, dass er tatsächlich gewisse Defizite hat, was er sich früher nicht eingestanden hat: «Bei mir dauert es häufig ein bisschen länger, bis ich etwas begreife.» In gewissen Dingen ist er seinen Arbeitskollegen aber überlegen: «Ich bin kräftig, ich kann etwas alleine tragen, was andere zu zweit tragen müssen.»

Rohrer hat etwas Bäriges: eher stämmig, wuscheliger Bart, im Umgang entspannt – ein «gmögiger» Typ. Allerdings: Die Möglichkeiten, seine gemütliche und gesellige Seite auszuleben, sind beschränkt. Aus finanziellen Gründen. Der Grundbedarf sieht etwa für «auswärts eingenommene Getränke» zwölf Franken im Monat vor. Auswärts zu essen, ist nicht vorgesehen. Geld für Ausgang bleibt kaum, von Ferien nicht zu reden. «Ich weiss, was es heisst, den Fünfer zweimal zu drehen. Ich drehe ihn etwa vier- bis fünfmal.» Von den Sparplänen von Regierungsrat und Kantonsparlament hält er denn auch wenig. Wer einen vollen Lohn habe, könne sich das vielleicht nicht vorstellen, aber monatlich Hundert Franken weniger spürten Leute in seiner Situation sehr stark. «Es ist schon heute zu wenig, Punkt.»

Wenn er an die Zeit denkt, in der er nicht mehr von der Sozialhilfe abhängig sein wird, freut er sich vor allem auf die Unabhängigkeit. Das ständige Sichrechtfertigen, das immer wiederkehrende Feilschen mit den Mitarbeitenden des Sozialdienstes um jeden Franken, das sei manchmal schon zermürbend. Er arbeite hart und mache sich die Finger dreckig. «Jetzt freue ich mich darauf, endlich mein eigenes Geld zu verdienen und meine Ruhe zu haben.»

Text: Fabian Christl, Dölf Barben Bilder: Adrian Moser Umsetzung: Carlo Senn, Christian Zellweger

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