«Uf di Füfi bim Loeb-Egge?»

Vom bescheidenen Warenhaus zum Phänomen in der Bundesstadt

Das Berner Traditionsgeschäft kämpft mit dem wirtschaftlichen Wandel. Loeb hat bescheiden angefangen, wurde zur Erfolgsgeschichte – und zum gesellschaftlichen Phänomen der Bundesstadt.

von Nadine A. Brügger

Am 28. November 1874 entdecken die Berner eine interessante Annonce im «Intelligenzblatt»: «Gebrüder Loeb aus Basel und Freiburg im Breisgau sind in Bern mit einem grossen Lager in Wolle, Baumwolle und Kurzwaaren eingetroffen und verkaufen, wie es nachstehender Preiscourant ausweist, zu auffallend billigen Preisen.» Am Marktstand der Brüder David, Julius, Louis und Eduard Loeb gibt es die spanische Strickwolle für einen Franken das Viertelpfund, grosse Strumpfbänder für 40, die Negligé-Hauben für 85 Rappen das Stück. Die Bernerinnen werden redlich eingekauft haben, denn im September 1881 eröffnen die Brüder «an der Sonnenseite der Spitalgasse» ihren ersten Berner Laden.

Mama und Papa Loeb

Der Erfolg mag am familiären Umgang der Loebs gelegen haben; insgeheim sprachen die Angestellten und viele Stammkunden nämlich nicht von Fanny und David, sondern von Mama und Papa Loeb. Die tiefen Preise werden das ihre beigetragen haben.

Bestimmt nicht geschadet haben die Nähe zum Bahnhof und die Lage direkt an der Route des «Rösslitrams», einer stündlich vom Bärengraben her die Stadt hoch scheppernden öffentlichen Pferdekutsche. Jedenfalls hatte der kleine Laden der Loebs Erfolg – und platzte bald aus allen Nähten.

Und so eröffneten die Loebs, während einige Gassen weiter der Palais fédéral noch immer komplett eingerüstet auf seine Kupferkuppel wartete, 1899 zwischen Spitalgasse und Schauplatzgasse einen Waren-Palast. Seide und Spitze, Hüte, Pantoffeln, Spiegel, Perlen, Haushaltswaren und Nähutensilien: Es gab kaum etwas, das man auf den drei Stockwerken von Berns erstem Warenhaus nicht gefunden hätte.

Es gab kaum etwas, das man auf den drei Stockwerken von Berns erstem Warenhaus nicht gefunden hätte.

Zwar blieb es mangels Kapazität der bernischen Stormversorgung vorerst bei den Gaslampen, doch das Kassensystem lief bereits vollelektrisch. Als wenige Jahre später ein Lift die Kundschaft bis in den dritten Stock trug – mit Wasserkraft angetrieben –, wusste Bern: Hier, an der Ecke Spital- und Schauplatzgasse, am «Loeb-Egge», wie es bald hiess, war die Moderne zu Hause. Gefallen hat das aber längst nicht allen: «I dä Zouberchastä iche gani nid», soll eine alte Bauersfrau ausgerufen haben, als Fanny Loeb sie zum Lift führte. Die Geschäftsfrau wusste, was zu tun war: Sie postierte ihre Söhne Arthur und Eugen beim Lift, auf dass sie der Kundschaft versicherten, das Gefährt sei sicher.

Bald war das Warenhaus erneut zu klein geworden – 1914 wurde ausgebaut. Doch zu feiern gab es wenig: Der Erste Weltkrieg fegte über Europa, und auch der junge Geschäftsführer Arthur Loeb musste einrücken. Noch bevor er heil von der Front zurück war, hatte sein Bruder Eugen im dritten Stock ein Tearoom mit gläsernen Wänden eröffnet und dreirädrige Camions angeschafft, um auch entlegene Dörfer mit Loeb-Waren beliefern zu können.

Im Jahr 1929 wuchs das Warenhaus Loeb ein letztes Mal – pünktlich zum Ausbruch der Weltwirtschaftskrise und mitten in der Zwischenkriegszeit. «Zwölf Bogen in der Laube machte jetzt unser Haus», schreibt Bertha Müller-Zwahlen, langjährige Ladentochter.

Am «Loeb-Egge» war die Moderne zuhause.

Eugen Loeb eröffnet die gross bestaunte Rolltreppe. (Bild: zvg)

Eugen Loeb eröffnet die gross bestaunte Rolltreppe. (Bild: zvg)

Vom Parterre bis in den dritten Stock führt der Ritt auf der sensationellen Rolltreppe.

Vom Parterre bis in den dritten Stock führt der Ritt auf der sensationellen Rolltreppe.

Viktor Loeb hält eine Rede.

Viktor Loeb hält eine Rede.

War der Anbau bereits eine grosse Sache, das 70-Jahr-Jubiläum 1951 war eine noch grössere, so schlug der Coup von 1956 doch alle bekannten Rekorde: Loeb eröffnete die erste mehrstöckige Rolltreppe der Stadt – Bern platzte vor Stolz.

«Die Konstruktion beansprucht keinerlei Holz, sondern ausschliesslich Stahl, Leichtmetall und Kunststoffe. Insgesamt werden 450 Stufen im Umlauf sein, die 8000 bis 9000 Personen pro Stunde und Treppe befördern können. Damit ist das Rolltreppensystem 25-mal leistungsfähiger als die bisherigen Aufzüge», pries das «Berner Tagblatt» die rollende Treppe an.

18 Jahre später, im Herbst 1974, stand François Loeb, Vater der heutigen Chefin Nicole Loeb, vor den Medien und erklärte: «Eher widerwillig übernahm ich die Geschäftsführung. Ich hatte Angst, Schiffbruch zu erleiden.» Kein Jahr später eröffnete eine Loeb-Filiale im Shoppyland Schönbühl. Ein Warenhaus im Warenhaus. Die Konkurrenz wuchs.

«Die Konstruktion beansprucht keinerlei Holz, sondern ausschliesslich Stahl, Leichtmetall und Kunststoffe.» – Das Berner Tagblatt über die neu Rolltreppe im Loeb.

Mit Nacht-Shopping oder Pyjama-Partys, zu denen er die Kunden im Nachthemd empfing, hat François Loeb dem Warenhaus seinen ganz eigenen Stempel aufgedrückt. Am Tag des 100-Jahr-Jubiläums spendierte er kurzerhand in allen Berner Kinos Gratiseintritte. Der Ansturm war dermassen gross, dass die Polizei von Loeb-Angestellten unterstützt werden musste, um grössere Tumulte zu vermeiden. Das war im Jahr 1981.

Auch das Telefon am Loeb-Egge war François Loebs Idee: «Man stand abends vor dem Loeb, dem löblichen Rendezvousplatz», schrieb das Berner «Intelligenzblatt» bereits vor 100 Jahren im 1919. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Damit die Menschen in den Zeiten von Schnurtelefon und Brieffreundschaften aber nicht unnötig warten mussten, wurde beim Loeb-Eingang ein Telefon ohne Wahltasten montiert. Wer am nächsten stand, hob den Hörer ab, wenn es klingelte, und rief den Namen der gesuchten Person in die Menge. Der Fortschritt brachte Handys und machte das Loeb-Telefon überflüssig. Den Treffpunkt aber nutzen wir bis heute. «Uf di füfi am Loeb-Egge?»

Das Berner Traditionsgeschäft kämpft mit dem wirtschaftlichen Wandel. Loeb hat bescheiden angefangen, wurde zur Erfolgsgeschichte – und zum gesellschaftlichen Phänomen der Bundesstadt.

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