Wie die Lieder in den Käse kommen

Beat Wampfler bespielt in seinem Käselager in Burgdorf fünf Laibe mit Musik.

Was er sich daraus erhofft, ist wissenschaftlich umstritten.

Von Sophie Reinhardt

Wer den Hobbykeller von Beat Wampfler betritt, der hört ein sonderbares Medley. Die hohen Töne der «Zauberflöte» mischen sich mit Led Zeppelins «Stairway to Heaven» und Hip-Hop-Beats. Es handelt sich dabei nicht um seinen Bandraum, nein, der Pferdearzt beschallt in einem historischen Keller in Burgdorf seit Monaten Käselaibe. «Ich bin überzeugt, dass nicht nur Feuchtigkeit, Temperatur und Nährstoffe Einfluss auf den Geschmack haben, sondern auch physikalische Effekte wie Schall», sagt Wampfler.

Die Sache meint er ernst: Seit über sieben Monaten bespielt er acht Laibe des Halbhartkäses «Muttenglück» eines Signauer Emmentaler-Weltmeisters je mit einem anderen Lied, rund um die Uhr. Bakterien seien verantwortlich für den Geschmack des Käses, da sie die Fettsäuren spalten und damit Einfluss auf das Fett als Geschmacksträger nehmen, erzählt er. «Sie reagieren auf Schall, und lassen sich durch die Musikfrequenz beeinflussen», sagt Wampfler. Und über einen «guten Groove» würden sich alle Lebewesen freuen, da sei er sicher.

Bei seinem Versuch setzt Wampfler auf künstlerischen Beistand. Studierende der Berner Hochschule für Künste (HKB) entwarfen für das Experiment spezielle Holzkisten, in denen je ein Käse über einen kleinen Lautsprecher bespielt wird.Nebst drei verschiedenen Sinuswellen werden fünf Musikstücke, darunter die Komposition «Monolith» des Schweizer Musikerduos Yello, Mozarts «Zauberflöte» oder «Jazz (We've Got)» von A Tribe Called Quest je einem Käse vorgespielt. Ein Halbhartkäse ruht als Referenz im Stillen. Die gewählten Musikstücke seien möglichst typische Vertreter der jeweiligen Genres, sagt  Michael Harenberg, Studiengangsleiter Sound Arts an der HKB, der mit für die Musikauswahl verantwortlich ist. So wird der Techno-Käse extremen Bässen ausgesetzt, der Rock-Käse sehr hohen Frequenzen. Wampfler ging mit seiner Idee auf die HKB zu, als er erfuhr, dass die Hochschule eine künstlerische Kooperation mit der Gemeinde Burgdorf eingegangen war.

1. Käse hört: A Tribe Called Quest - Jazz (We've got)

Wie viel kostet 100 Gramm Mozart-Käse? Und wäre mit Gorgonzola eigentlich alles anders? Die Antworten gibt es im Videointerview.

Dass die tanzenden Bakterien den Käse zur besonderen Delikatesse reifen lassen, ist bisher nicht bewiesen. Am 14. März werden die Musik-Käse einer Untersuchung unterzogen sowie einer kulinarischen Jury vorgesetzt. Wampfler hofft, dass ein geschmacklicher Unterschied zwischen den Käsen feststellbar sein wird. Besonders viel Hoffnung setzt er auf den Käse, der mit Hip-Hop reifte: «Damit könnten vermehrt junge Leute auf den Käse-Geschmack kommen», sagt der 53-Jährige. Aber es sei kein «Weltuntergang» für ihn, falls doch kein Unterschied schmeckbar sei. «Ich glaube aber fest daran, dass Wellen einen Unterschied machen können, wir haben halt vielleicht noch nicht die richtige Technik dafür gefunden», sagt Wampfler. Auch von den Kühen wisse man, dass sich der Einsatz bestimmter Musik im Stall positiv auf die Milchproduktion auswirke. Wampfler will deshalb so oder so weitertüfteln an der Produktion von Musik-Käse.

Auf sein Hobby, dem er neben seinem Tierarztleben frönt, wurde bereits die halbe Welt aufmerksam. Denn das Experiment konnte bisher viel Aufmerksamkeit generieren, so berichteten auch schon die «Japan Times», BBC und al-Jazeera über die Versuche im Burgdorfer Käsekeller. Er sei vom grossen Medieninteresse am Projekt überrascht worden, sagt Wampfler, der vor allem am Feierabend und am Wochenende im Keller anzutreffen ist, nämlich dann, wenn er gerade nicht Pferde impft, entwurmt oder verarztet.

2. Käse hört: Led Zeppelin - Stairway to Heaven

In seinem Käselager waren bereits Medien aus der ganzen Welt zu Gast.

Ob Wampflers Experiment geschmackliche Spuren hinterlassen hat, wird von einer Jury geprüft.

Doch er zeigt sich davon überzeugt, dass Schallwellen den Käse verändern können.

Öffentlich degustiert werden die Musik-Käse von einer Jury unter anderem bestehend aus dem Burgdorfer Stadtpräsidenten Stefan Berger, der Insektenköchin Andrea Staudacher und dem Koch Benjamin Luzuy. Daneben werden die Käse auch an der Fachhochschule in Wädenswil untersucht. Die spezialisierte Sensorikgruppe verkostet den Käse in einem Blindversuch und überprüft ihn im Labor auf chemische und physikalische Inhaltsstoffe. «Ich wünsche ihm Erfolg, aber ich bin skeptisch», sagt Tilo Hühn, Professor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Dozent im Studiengang Lebensmitteltechnologie, über Wampflers Versuch. Hühn zeigt sich interessiert an den Ergebnissen, denn immer wieder würden Menschen behaupten, dass Musik einen Einfluss auf Lebensmittelreifung habe, weshalb manche etwa einfache Musikboxen in den Weinkeller stellen würden. Letzteres sei Unfug, sagt Hühn. Aber Wampfler habe sich seriös vorbereitet.

Dennoch könne man nicht von einem wissenschaftlichen Versuch sprechen, dafür müsse das Experiment mehrmals wiederholt werden, sagt der Professor. Wenn es zu einer Veränderung komme, dann wohl dadurch, dass der Schall den Käse an gewissen Stellen erwärme, wodurch die Mikroorganismen sich verändern könnten, erklärt Hühn. Darum empfiehlt er bei einer Wiederholung des Experiments, den Käse auch mit einer Wärmebildkamera zu betrachten. Wampfler kommt für die wissenschaftlichen Untersuchungen der Hochschule  selbst auf. Inwiefern er diesen Käse dereinst vermarkten will, kann er noch nicht sagen. Im Moment gehe es ihm vor allem um das Experiment, sagt der in Wimmis Aufgewachsene, dessen Grossvater bereits Käse herstellte.

3. Käse hört: Yello – Monolith

Beat Wampfler erklärt, wie Käse beschallt wird.

Wampfler ist ein Käse-Tüftler, der Musik-Käse ist nicht seine erste kuriose Erfindung. So vermarktet er bereits erfolgreich einen schwarzen Käse, den er mit Pflanzenkohle einfärbt. Der Black Cheese wird auch vom Chefkoch Robert Speth im Spitzenrestaurant Chesery in Gstaad serviert. Weiter hat er eigens den Fromidor entwickelt, eine Art Holzschatulle, worin Käse optimal gelagert werden kann und die richtige Temperatur behält, denn im gewöhnlichen Kühlschrank herrschen nicht die optimalen Temperaturen für Käse. Hergestellt wird der Fromidor im Emmental.

Zudem interessiert sich Wampfler, der Leiter des Veterinärdienstes im Nationalen Pferdezentrum Bern ist, auch für historische Dinge. Er besucht gerne Brockenstuben, lässt sich von Altem inspirieren – und so finden sich im Käsekeller lauter historische Käseinstrumente, eine alte Schreibmaschine und eine Waage, die schon zu seines Grossvaters Zeiten zum Käsewiegen zum Einsatz gekommen sein könnte.

4. Käse hört: Vril – UV



5. Käse hört: Mozart - Die Zauberflöte

Text: Sophie Reinhardt
Bilder: Franziska Rothenbühler
Videos und Umsetzung: Martin Erdmann

Text: Sophie Reinhardt
Bilder: Franziska Rothenbühler
Videos und Umsetzung: Martin Erdmann

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