Von den Rockstars zur Fischzucht

Hannes Schmid fotografierte einst Rockstars. Nun züchtet er mit Wädenswiler Unterstützung Fische in Kambodscha – und hilft der dortigen Bevölkerung.

Genetisch gesunde Buntbarsche schwimmen in den Zuchtbecken in Kambodscha.

Hannes Schmids Verein Smiling Gecko unterstützt auf diese Weise arme Bauernfamilien.

Ein lohnenswerter Kampf gegen Windmühlen

Hannes Schmid fotografierte einst Rockstars. Nun liegt sein Fokus auf seinem Projekt in Kambodscha, für das er zusammen mit der ZHAW eine Fischzucht gestartet hat.

Wer kennt ihn nicht, den Marlboro-Cowboy, der viele Plakatwände in den neunziger Jahren zierte. Und auch der Mann hinter der Linse machte sich mit zahlreichen Fotografien von Berühmtheiten einen Namen: Hannes Schmid. «Wenn man einmal Fotograf ist, bleibt man immer Fotograf», sagt er. Doch sein Fokus liegt inzwischen nicht mehr auf den Models und Rockstars vor seiner Linse, sondern auf seinem Projekt in Kambodscha.

Smiling Gecko heisst der von Hannes Schmid ins Leben gerufene Verein, der mehrere Projekte unter diesem Namen vereint. Eines davon hat die Fischzucht in Kambodscha zum Ziel. Mit dem dafür nötigen Knowhow stehen Mitarbeiter der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil zur Seite.

Nicht von Anfang an Erfolg

Ins Rollen gebracht wurde Smiling Gecko, als Hannes Schmid für ein Fotoprojekt in Thailand war. Auf dem Weg in ein Restaurant traf er ein bettelndes Mädchen, dessen Gesicht völlig verbrannt war. Schmid erfuhr, dass der Vater des Kindes - ein hochverschuldeter Reisbauer aus Kambodscha - das Gesicht des Mädchens entstellte, um es an ein Bettelsyndikat zu verkaufen.

Hannes Schmid nahm sich dem Mädchen an und brachte es in ein Waisenhaus in Kambodscha. «Dort erzählte man mir, dass jährlich 250 bis 300 Kinder mit Säure oder kochendem Wasser übergossen und an Bettelsyndikate verkauft werden», sagt er.

Er wollte helfen, doch weder mit der Unterstützung von Familien, denen er Reis abkaufte, noch mit dem Bau von Tuktuks für die Kinder, damit sie in die Schulen können, hatte er nachhaltig Erfolg. Erst als Schmid selbst nach Kambodscha zog und vor Ort Smiling Gecko gründete, bewegte sich etwas. «Wir sind eine lokale Nichtregierungsorganisation, erhalten Geld und ich durfte Land besitzen», sagt Schmid.

Er kaufte neun Hektar Land und versuchte Landwirtschaft aufzubauen. «Doch es wuchs nichts», sagt er. Dann hoffte er auf Hilfe vom Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum. Den Agronomen, die nach Kambodscha gekommen seien, standen die Haare zu Berg, weil die Böden keine Nährstoffe haben.


In den Zuchtbecken wimmelt es nur so.

Mitarbeiter Phann repariert ein Schaufelrad im Brutteich.

Geholfen habe erst die Zusammenarbeit mit der ZHAW, die das Fischprojekt neu aufzog. Fisch sei ein grosses Problem, da sowohl der Mekong, der Tonle Sap und die Meere überfischt sind. «Ausserdem werden die Fischzuchten in Thailand und Vietnam nicht sauber gehalten», sagt Schmid. Der Fisch werde jedoch benötigt, da er wichtige Proteine enthält und ein hochwertiges Lebensmittel ist. «Wir konzentrieren uns auf die Zucht von genetisch gesunden Buntbarschen, den Tilapien, die wir dann an die Reisbauern weitergeben können», sagt Schmid.

Inzwischen ist auf 120 Hektar Land ein riesiges Forschungszentrum in Kambodscha entstanden. Von diesem profitiert auch die ZHAW, deren Studenten oft in Kamboscha ihre Bachelor-Arbeit schreiben. «Wir sind mit der ZHAW sehr verwurzelt», sagt Schmid.  In erster Linie helfe Smiling Gecko mit seinen inzwischen neuen Projekten den Kambodschanern zur Selbsthilfe.

Grosse Erträge von Vanille

Oft hat Schmid Ideen für Projekte, bei denen alle die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wie er selbst berichtet. «Nichts ist einfach im Leben», sagt Schmid. Jüngst hat er es mit Mitarbeitern der ZHAW geschafft, dass die sehr schwierig anzupflanzende Vanillepflanze in Kambodscha wächst. Die Erträge sind sogar sehr gross. «Es kann nur nachhaltig sein, was wirtschaftlich erfolgreich ist», hat Schmid daraus gelernt.

Derzeit warten die Menschen in Kambodscha auf die Regenzeit. Doch die Dürre hält an und die Landbevölkerung hat kein Essen, keine Reserven und viele verhungern. 

Es klingt wie ein Kampf gegen Windmühlen und Schmid bestätigt: «Ich bin ein Don Quijote.» Doch er sagt: «Jedes Kind, jede Familie, der ich eine Zukunft geben kann, ist all das bereits wert. Und wenn wir alle sagen, das sind ja Windmühlen, das bringt nichts, dann wird auch nichts entstehen.»


Das Wasser wird regelmässig untersucht.

Die Barsche sind ein hochwertiges Lebensmittel.

Sreymom (links) und Theary am sogenannten «Hatchery Pond» (Brutteich).

Sreymom (links) und Theary am sogenannten «Hatchery Pond» (Brutteich).

Ben (hinten), Theary (Mitte) und Choen (vorne) am grossen «School Pond» (Zuchtteich): Sie bereiten die nächste Fisch-Ernte vor.

Ben (hinten), Theary (Mitte) und Choen (vorne) am grossen «School Pond» (Zuchtteich): Sie bereiten die nächste Fisch-Ernte vor.

«Ich kenne kein Fischzuchtprojekt, das so schnell umgesetzt wurde»

Fridolin Tschudi ist Umweltingenieur an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil und hat die Zusammenarbeit mit Hannes Schmid und dessen Fischzuchtprojekt in Kambodscha ins Rollen gebracht.

Wie ist die Zusammenarbeit mit der ZHAW und Smiling Gecko zustande gekommen?
Vor zwei Jahren habe ich auf auf SRF eine Doku über Hannes Schmid gesehen. Darin wurde beschrieben, dass er versuchte in Kambodscha Fische zu züchten, mit diesem Projekt aber keinen Erfolg hatte. Das war für mich unverständlich, denn an der ZHAW arbeiten wir schon sehr lange mit Tilapia, also Buntbarschen, die sehr leicht zu handhaben sind. Daraufhin habe ich Hannes Schmid eine Mail geschrieben. Er antwortete mir sofort und bot eine Zusammenarbeit an.

Wann startete das Fischzuchtprojekt in Kambodscha mit der ZHAW?
Wir sind im Herbst 2017 nach Kambodscha geflogen. Dort haben wir die Teiche ausgemessen und die Wasserqualität geprüft. Dann haben wir eine Partnerschaft mit der Universität in Thailand, dem Asian Institute of Technology, aufgebaut. Anschliessend wurden die Stellen für das Projekt ausgeschrieben und im Januar 2018 zwei Kambodschanerinnen eingestellt. Benjamin Scott, ein Mitarbeiter der ZHAW, ist seit einem Jahr in Kambodscha und coacht die beiden Frauen. Im Februar wurden die Fische aus Thailand gebracht. Wichtig war, dass die Fische einen gesunden Stamm und eine gute Genetik vorweisen.

Was ist die Aufgabe der beiden Kambodschanerinnen?
Sie lernen, wie die Fischzucht funktioniert. Sie haben zwar den Bachelor in Aquakultur, dennoch fehlt ihnen viel Knowhow, das wir ihnen aber vermitteln. Während die eine die Fischmast leitet, kümmert sich die andere um die Satzfischproduktion. Sie lernen, wie man die Tiere richtig füttert und mit ihnen umgeht. Sie erfahren viel über die Wasserqualität und die Algenproduktion. Am Ende sollen sie in der Lage sein, einen Teich mit den gegebenen Umweltvoraussetzungen zu managen. Ausserdem haben wir einen Businessplan erarbeitet. So ist auch der wirtschaftliche Aspekt abgedeckt.

Warum züchten Sie mit Tilapia?
Wir wollten mit einem Fisch starten, mit dem man am schnellsten Erfolg verzeichnen kann. Später wollen wir noch andere Arten wie Pangasius dazunehmen.


Fridolin Tschudi im Gespräch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Kambodscha.

Wie funktioniert das Fischzuchtprojekt in Kambodscha?
Es gibt dort grosse Teiche. Diese wurden ausgebaggert als Wasserreservoirs. Zudem wird dadurch das Land terrassiert. In der Regenzeit würde dort sonst alles ebenerdig unter Wasser stehen. Statt Fischzucht in kleinen Teichen zu betreiben, realisieren wir diese in den Wasserreservoiren. Das Wasser wird dann samt den Nährstoffen, welche die Fische über das Wasser ausscheiden, in der Trockenzeit zur Bewässerung genutzt. Eine Symbiose, die wunderbar funktioniert.

Was ist das Besondere daran?
Die Böden in Kambodscha haben ein grosses Nährstoffdefizit. Sie haben wenig organische Substanz. Aufgrund der biologischen Landwirtschaft, die dort vorherrscht, dürfen die Bauern keinen Industriedünger kaufen. Sie produzieren zwar Kompost und reichern dadurch den Boden mit Nährstoffen an. Dieses Prozedere ist jedoch sehr langsam. Mit Fischen kann man hingegen innerhalb kurzer Zeit das Wasser mit Nährstoffen anreichern. In normalen Teichen mit hoher Zufütterung müsste man das Wasser aufgrund des hohen Nährstoffgehalts regelmässig wechseln. Da das Wasser aber zum Düngen verwendet wird, dient dies sowohl den Fischen als auch der Pflanzenproduktion. Auf diese Weise wird ein Abfallprodukt in ein wertvolles Produkt für die Pflanzen verwandelt.

Wozu dient die Mast- und die Satzfischzucht?
Unser Ziel ist es, den Landwirten in der Umgebung die Fische zu verkaufen. Diese werden dann in die überschwemmten Reisfelder gesetzt, fressen Schädlinge und versorgen diese wiederum mit Nährstoffen. Es entsteht eine Reisaquakultur. So produzieren die Familien neben Reis auch tierisches Eiweiss auf ihren Feldern.

Was ist der bisher grösste Erfolg dieses Projekts?
Ein grosser Erfolg ist, dass die Mitarbeiter innerhalb von kürzester Zeit sehr viel gelernt haben. Dieses Wissen soll nun durch Ausbildung weitergegeben werden. Das Projekt «women in aquaculture» steht schon in den Startlöchern. Zudem haben wir eine grosse Produktion pro Fläche. Ich kenne kein Fischzuchtprojekt, das so schnell umgesetzt wurde.

Wie profitiert die ZHAW von diesem Projekt?
Vor 24 Jahren hat an der ZHAW die Forschung zur Fisch-Pflanzen-Symbiose - Aquaponics - begonnen. In Kambodscha können wir die Ideen und das Knowhow unserer Forschung realisieren oder auch implementieren. Dies kommt der Ausbildung der Umweltingenieure zu Gute.

Weitere Informationen unter www.smilinggecko.ch.

Texte: Dorothea Uckelmann / Bilder: Manuela Matt, Ben Scott / Realisation: Martin Steinegger

Texte: Dorothea Uckelmann / Bilder: Manuela Matt, Ben Scott / Realisation: Martin Steinegger

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