Geliebte Nachrichten aus der Heimat

Die Fernausgabe des «Tages-Anzeigers» ermöglicht vielen Auslandschweizern den Kontakt zu ihrem Herkunftsland. Aus aller Welt kommen Leserbriefe – mit Lob, Tadel und Ideen.

Zuschriften der Leser an die Redaktion. Foto: Sabina Bobst

Zuschriften der Leser an die Redaktion. Foto: Sabina Bobst

Redaktor Felix Maise ist seit 2003 für die «Tagi»-Fernausgabe verantwortlich.

Felix Maise bei der Arbeit. Foto: Sabina Bobst

Felix Maise bei der Arbeit. Foto: Sabina Bobst

Für die Auslandschweizer ist 2016 ein besonderes Jahr: Vor 100 Jahren wurde die Auslandschweizer-Organisation (ASO) gegründet, die Interessenvertretung der mittlerweile über 760'000 Bürgerinnen und Bürger mit dem roten Pass, die irgendwo in der Welt leben. 2017 ist auch für den «Tages-Anzeiger» (TA) ein besonderes Jahr: Dann ist die Fernausgabe des TA genau halb so alt und erscheint im 50. Jahrgang. 1967 wurde die Zeitung gegründet, damals schon mit der gleichen Zielsetzung wie heute: um den fernab der Heimat lebenden Schweizerinnen und Schweizern einmal pro Woche den Kontakt zu ihrem Herkunftsland zu ermöglichen und ihnen das Beste und für sie Relevanteste aus dem täglichen «Tages-Anzeiger» zur Lektüre anzubieten.

Bis heute wird dieser Service von meist langjährigen Leserinnen und Lesern in der ganzen Welt geschätzt, wie nicht zuletzt auch aus vielen Zuschriften hervorgeht, die regelmässig beim TA-Fernausgabe-Redaktor eintreffen. Manche davon sind auch im Zeitalter der elektronischen Kommunikation noch in Briefform mit bunten Briefmarken und von Hand oder auf einer alten Schreibmaschine geschrieben. E. H. aus Misiones in Argentinien etwa gehört zu diesen treuen Lesern. Seinem Brief zur Begleichung des Abonnements legte er gleich noch zwei eigene Textentwürfe für neue Nationalhymnen bei nach Musik aus Verdis «Traviata», ein «Heimatlied» und ein «patriotisches Lied». Die langen Jahre in Südamerika haben ihn offensichtlich zum Patrioten gemacht, wie die erste Strophe seiner Nationalhymne zeigt:

«Die Schweiz, ein Land, wo Verschiedenheit wohnt,
darinnen man mehrere Sprachen spricht;
ihr Reiz, dass Wohnen hier dennoch sich lohnt,
Kulturunterschiede, die trennen nicht.
Vom Bauen, Tourismus, Fabriken,
von Handwerk und Banken man lebt;
und Waren weltweit zu verschicken,
das alles den Lebensstand hebt.»

Erfahren hat der Autor im fernen Argentinien von der Ausschreibung des Nationalhymnen-Wettbewerbs der Schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) aus der TA-Fernausgabe. Erfolg war seinen Bemühungen aus der Ferne aber leider nicht beschieden.

Mehr Eishockey für Argentinien

Doch die Interessen und Anliegen der Leserschaft sind sehr verschieden. Und bisweilen äussern Leser auch Kritik, wie etwa A. Ue. aus Rivadavia in der Provinz Mendoza ebenfalls in Argentinien. In seinem handgeschriebenen Brief an die «Chefredaktion Tagi-Fernausgabe» verlangt er kategorisch und mit grossen Buchstaben «Mehr Eishockey!» «Seit Jahren habe ich die Tagi-Fernausgabe abonniert. Leider wird die Berichterstattung vor allem im Sportteil immer armseliger. Eishockey ist wohl der wichtigste Wintersport in der Schweiz neben dem Skifahren. Und darüber keine Silbe, keine Resultate und Tabellen. Das kann ja wohl nicht sein?! Mit sportlichen Grüssen A. Ue.»

Von Felix Maise

Vorschlag für eine neue Nationalhymne eines Lesers aus Argentinien. Foto: Sabina Bobst

Vorschlag für eine neue Nationalhymne eines Lesers aus Argentinien. Foto: Sabina Bobst

Besser als das Original?

Ganz andere Probleme hatte die langjährige Abonnentin Charlotte Katz aus Christchurch in Neuseeland, wie sie schrieb. «Ich lebe für 33 Jahre fern der Heimat. Meine letzte Heimreise war in 1997. Ich bin also nicht mehr ganz mit allem verbunden. Wenn man emigriert, muss man das in Kauf nehmen. Ich tat es. Nun ist heute wieder der Ausland-Tagi bei mir angekommen, und da bin ich einem Ausdruck begegnet, den ich vorher nie gesehen oder gehört habe und frage Sie demnach: Was heisst ‹abzocken›? Was ist ein ‹Abzocker›? Vielen Dank für Aufklärung.» Die Aufklärung erteilte ihr der Redaktor in Zürich gerne umgehend, was die Leserin ebenso umgehend verdankte.

Doch auch durchaus bestens informierte, begeisterte Leser hat die TA-Fernausgabe. So meldete einst Botschafter Thomas Füglister aus dem mazedonischen Skopje seine Rückkehr in die Schweiz und damit die Abbestellung der TA-Fernausgabe mit Bedauern nach Zürich. «Ich möchte nicht verfehlen, Ihnen für ein ausgezeichnetes Produkt zu gratulieren. Es hat mir vorzüglich geholfen, die Verbindung zur Schweiz und zu Zürich stets aufrechtzuerhalten. Manchmal schien mir die Fernausgabe in ihrer Konzentration auf das Wesentliche und Beste sogar fast das noch bessere Erzeugnis zu sein als das Original! So möchte ich Ihnen wohl im Namen vieler Auslandschweizer herzlich danken, dass Sie sich die Mühe nehmen, die Fernausgabe zu produzieren.»

Die lausigste Post der Welt

Ein Dauerproblem der TA-Fernausgabe ist ihre Auslieferung im nahen und fernen Ausland. Nach dem Redaktionsschluss und dem Druck am Montagnachmittag geht die 16-seitige, weitgehend reklamefreie Zeitung jeweils in den Postversand. Dabei klappt das je nach Land unterschiedlich gut. «Leider erhalte ich die TA-Fernausgabe meistens mit ein bis zwei Monaten Verspätung. Schuld ist die kolumbianische Post, die lausigste auf der ganzen Welt!», schrieb P. Sch. aus Bogotà, bedankte sich aber gleichzeitig für die verspätet bei ihm eingetroffenen guten Weihnachts- und Neujahrswünsche des Redaktors an seine Leserschaft. «Die diesjährigen Festtage haben die meisten Auslandschweizer dank den guten Nachrichten aus der Schweiz umso froher gefeiert, den besten seit vielen Jahren: die Nichtwahl von Ueli Maurer und Toni Brunner in den Ständerat und die Entlassung von Christoph Blocher aus der Landesregierung!!!», jubelte einst der offensichtlich wenig SVP-begeisterte treue Leser in Bolivien.

Die TA-Fernausgabe wird in den fernsten Gegenden der Welt gelesen. Foto: Sabina Bobst

Die TA-Fernausgabe wird in den fernsten Gegenden der Welt gelesen. Foto: Sabina Bobst

Doch auch in Italien müssen Abonnenten zum Teil lange auf ihre Zeitung warten. R. St., der mit seiner Lebenspartnerin in der Toskana auf einem Biobauernhof lebt und die TA-Fernausgabe seit über 15 Jahren liest, erhält die Zeitung je nach dem Format der Verpackung von der italienischen Post entweder schon nach zwei Tagen oder erst nach fast drei Wochen. «Im Grossen und Ganzen sind wir ja sehr zufrieden mit der Auswahl der Themen», schrieb er, der wie sehr viele der langjährigen, oft älteren Abonnenten die gedruckte Zeitung allen viel schnelleren und aktuelleren elektronischen Angeboten vorzieht. Die Zeitung mit den Nachrichten aus der Heimat gemütlich zum Frühstück im Garten draussen oder nachmittags in der Hängematte unter den Palmen zu lesen, macht mehr Spass, als irgendwo auf einen Bildschirm zu starren. Und Aktualität ist nur ein Argument für eine Zeitung.

Das gilt offensichtlich auch für H. G. aus Kanada. «Ich bin ein grosser Fan ihrer Ausgabe und lese sie schon 20 Jahre lang. Wir bewirtschaften eine Farm in der Nähe vom Jasper National Park in British Columbia.» H. G. korrigiert in seinem Schreiben eine Bildlegende eines Artikels in der TA-Fernausgabe, die aus einem europäischen Rothirsch fälschlicherweise einen kanadischen Wapiti-Hirsch macht. «Auf unserer Farm kreuzen Wapiti-Hirsche, Wölfe, Bären, Coyoten und Pumas den Weg unserer Schafe und Kühe. Das bringt uns immer etwas zum Schmunzeln, wenn wir über die Probleme in der Schweiz wegen der Grossraubtiere lesen.»

Von Burma bis Bora Bora

Abonnenten hat die TA-Fernausgabe weit verstreut auch in den fernsten Gegenden der Welt von Abu Dhabi über Indien, Japan, China, Thailand, Burma, Singapur, Bali, Australien, Neuseeland bis nach Südafrika, Namibia, Tansania, Sambia, Zimbabwe, Swasiland, Kenia, Angola, Äthiopien, Tschad und weiter nach Südamerika, in die Dominikanische Republik, nach Guatemala und Mexiko. Den weitesten Weg vom Redaktionspult in Zürich bis zum Leser legt die Fernausgabe wohl nach Great Barrier Island zurück, einer Insel vor Neuseeland mit nicht einmal 1000 Einwohnern. Und auch auf die Südpazifik-Insel Bora Bora wird jede Woche ein Exemplar geliefert.

Impressum

Idee und Konzept: Sandro Benini, Vincenzo Capodici
Texte: Sandro Benini, Vincenzo Capodici, Rudolf Wyder, Felix Maise
Fotos und Video: Raisa Durandi, Sabina Bobst, Keystone, Auslandschweizer-Organisation
Interaktive Grafik: Marc Fehr
Produktion: Vincenzo Capodici
Projektleitung: Dinja Plattner

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